Abbildung 1: Standbild aus Hochgeschwindigkeitsaufnahme beim "abschälen" des Grats
Gratbildung beim Bohren
Das iWFT beschäftigt sich unter anderem mit der Optimierung von Zerspanprozessen. Neben verschiedenen Projekten zum Quer-Einstech-Drehen und der zugehörigen zielgerichteten Kühlschmierstoffzufuhr aus der Vergangenheit gehören auch die Analyse der Funktionsweisen von Zerspan- und Sonderwerkzeugen zum Portfolie des iWFT. So wird beispielsweise die Funktionsweise von gratminimalen Bohrwerkzeugen mit Einsatztests, Hochgeschwindigkeitsaufnahmen sowie der Aufnahme von Kraft- und Torsionswerten im Prozess analysiert. Das Bearbeitungsergebnis wird mithilfe verschiedener Analysemethoden im Nachgang bewertet.
Da bei der Herstellung von Bohrungen Grat auf der Eintritts- und Austrittseite des Bohrers entsteht, muss dieser in teils aufwendigen Folgeprozessen entfernt werden. Je nach Komplexität der Bauteile ist die Austrittsseite nur durch die Bohrung selbst zu erreichen, weshalb Standardentgratwerkzeuge hier an ihre Grenzen stoßen. Gratfreie Bohrungen sind in der Regel für die spätere Funktion aber auch die Optik von Bauteilen essenziell. Eine Gratvermeidung direkt bei der Bohrungserstellung wird hier angestrebt, ist aber mit geforderten Taktzeiten und damit einhergehenden aggressiven Bearbeitungsparametern nicht erreichbar. Eine größtmögliche Minimierung des Grates kann je nach Bauteil aber auch schon ausreichend sein. So kann eine nachfolgende Entgratung eingespart oder zumindest erleichtert werden.
Gratminimale Bohrwerkzeuge weisen in der Regel eine spezielle Spitzengeometrie auf. Zum Beispiel kann hier eine sog. Schälfase an der Nebenschneide angeschliffen werden, die den Grat beim Austritt „abschält“. Dieser Effekt kann durch Hochgeschwindigkeitsaufnahmen sichtbar gemacht werden.

Die Grathöhe kann je nach Werkstoff auf deutlich unter 50 µm reduziert werden, während konventionelle Vergleichswerkzeuge bei gleichen Parametern Grathöhen von bis zu 800 µm erzeugen. Gleichzeitig wird der Grat insgesamt gleichmäßiger. Auch die Vorschubkräfte sind beim gratminimalen Bohrer deutlich geringer, wohingegen das Torsionsmoment durch die zusätzlichen Schälfasen nur leicht erhöht wird. Das Torsionsmoment verläuft im Vergleich jedoch etwas stetiger.
Die höheren Kosten für ein solches gratminimales Bohrwerkzeug müssen natürlich immer in Relation zur Verbesserung des Ergebnisses betrachtet werden. Dennoch kann ein solches Werkzeug in vielen Anwendung nützlich sein, da aufwendige Folgeprozesse zum Entgraten eingespart werden können.

Abbildung 2: Vergleich des Torsionsmomentenverlaufs bei gratminimalen und konventionellen Bohrern

Abbildung 3: Entstandener Grat durch gratminimalen Bohrer (a) und konventionellen Bohrer (b)